Tornadoserien auch in Deutschland
Wir kennen die spektakulären Bilder aus den USA, wenn dort mal wieder Dutzende Tornados über das Land ziehen und etliche Häuser zerstören, manchmal sogar ganze Orte dem Erdboden gleich machen. Tornados beschränken sich aber nicht auf die USA, bei uns in Mitteleuropa können sie genauso stark sein wie jenseits des Atlantiks. Und auch so genannte Tornado-Outbreaks mit zahlreichen Tornados an einem Tag kommen bei uns gar nicht so selten vor. Nach neuesten Erkenntnissen war dies auch beim Orkan KYRILL der Fall, an dessen Kaltfront am 18. Januar 2007 mindestens 6 Tornados große Schäden anrichteten. Dies ist die bisher größte Anzahl an Tornados während eines einzigen Wintersturms.
Einige Tornadoausbrüche in Deutschland:
(Quelle: Tornadoliste Deutschland)
05.07.1890 6 Tornados
22.07.1910 9 Tornados, 3 Verdachtsfälle
28.06.1920 7 Tornados
04.07.1929 6 Tornados, 2 Verdachtsfälle
27.03.2006 8 Tornados, mehrere Verdachtsfälle
20.05.2006 13 Tornados, zahlreiche Verdachtsfälle
18.01.2007 6 Tornados, zahlreiche Verdachtsfälle (Orkan Kyrill)
Tornadoserie am 18. Januar 2007
Neue Untersuchungen haben ergeben, dass neben den bisher bekannten Tornados in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen auch in Mecklenburg-Vorpommern ein Tornado erhebliche Schäden angerichtet hat. Betroffen war der Ort Mittagsberg, der Tornado erreichte mit Windgeschwindigkeiten von rund 200 km/h die Stufe F2 der Tornadoskala (F0 bis F5). Drei weitere Tornados erreichten an dem Tag die Stufe F3 mit Windgeschwindigkeiten zwischen 250 und 300 km/h, darunter einer in Lutherstadt Wittenberg. Dort wurde auch ein PKW durch die Luft gewirbelt.
Wie kam es zu den Tornados während des Orkans KYRILL? Am 18. Januar 2007 richtete das Orkantief KYRILL in Mitteleuropa erhebliche Schäden an, mehr als 40 Menschen kamen europaweit ums Leben, davon 13 in Deutschland. Das öffentliche Leben in Deutschland kam vorübergehend zum Stillstand. Landesweit wurde der Zugverkehr eingestellt und gebietsweise fiel stundenlang der Strom aus. Der Orkan gehört in Deutschland zu den schlimmsten Winterstürmen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
An der Vorderseite des vom Atlantik heranziehenden Tiefs KYRILL gelangte extrem milde und feuchte Luft nach Deutschland. Die Höchsttemperaturen am 18. Januar 2007 lagen – abgesehen von wenigen Ausnahmen in den Hochlagen der Mittelgebirge – landesweit im zweistelligen positiven Bereich, gebietsweise wurde die 15-Grad-Marke überschritten. Im Berchtesgadener Land waren es sogar knapp 20 Grad. Die Ausläufer von KYRILL und seinen Vorgängern brachten in der feuchtmilden Luft große Regenmengen mit sich. Damit wurde der Boden stark aufgeweicht, was für die Auswirkungen eine große Rolle spielen sollte. Dazu die 24stündigen Regensummen vom 17. Januar 2007 und vom 18. Januar 2007, zum Ablesen der Werte in die Bundesländer und die Landkreise/Städte klicken. Landesweit wurden am 18. Januar schwere Sturmböen oder orkanartige Böen gemessen, vielerorts gab es Orkanböen von weit über 120 km/h. Im Bergland waren es verbreitet mehr als 150 km/h. Spitzenreiter war der Wendelstein am bayerischen Alpenrand mit 203 km/h:
Diese Orkanböen richteten gewaltige Schäden an. Die Schäden allein in Deutschland beliefen sich nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherer auf etwa 4,7 Milliarden Euro, davon waren gut 2 Milliarden versichert. Allein in NRW fielen etwa 25 Millionen Bäume dem Orkan zum Opfer, die meisten wurden wegen der sehr feuchten Böden entwurzelt. So wurden im Sauerland und im Bergischen Land ganze Wälder komplett zerstört. Zahlreiche Dächer wurden abgedeckt. Zum ersten Mal seit ihrem Bestehen stellte die Deutsche Bahn den Verkehr in ganz Deutschland ein. Eine Besonderheit von „Kyrill“ war auch, dass fast alle Landesteile betroffen waren. Andere Orkane wie „Anatol“ und „Lothar“ 1999 richteten nur in einer begrenzten Region große Schäden an.
Große Auswirkungen hatte die Kaltfront von „Kyrill“, an der sich eine ausgeprägte Gewitterfront ausbildete. Sie war besonders im Bereich Südniedersachsen, NRW, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Nordbayern ausgeprägt. Die Gewitterfront war mit heftigen Gewitterböen („Downbursts“) und einigen Tornados verbunden. Es wurden mindestens 6 bestätigte Tornados registriert, dazu kommen Dutzende Tornadoverdachtsfälle, die bis heute nicht bestätigt werden konnten. Gleich 3 Tornados erreichten die Stufe F3 (etwa zwischen 255 und 335 km/h) auf der Fujitaskala und hinterließen in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) sowie in zwei langen Schneisen im Süden Brandenburgs kilometerlange Schneisen mit Schäden im oberen zweistelligen Millionenbereich. Tornados kommen bei Sturm- und Orkantiefs häufiger vor.
Tornadoserie am 27. März 2006
Ende März 2006 wurde Norddeutschland von einer Tornadoserie getroffen, bei der zwei Menschen starben und erhebliche Schäden auftraten. Noch am 18. März 2006 herrschte in vielen Teilen Deutschlands Dauerfrost. Danach stellte sich die Wetterlage rasch um und mit südwestlicher Strömung gelangte feuchtmilde Luft nach Deutschland, in der sich am Nachmittag des 27. März über dem westlichen Niedersachsen kräftige Gewitter bildeten, die nach Nordosten zogen. Beim Durchzug der Gewitter richteten mindestens 8 Tornados erhebliche Schäden in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg an. Dazu kommen noch sechs Verdachtsfälle, die bis heute nicht geklärt werden konnten.
Von den bisher acht ermittelten Tornados erreichten zwei die Stärke F2 auf der Fujita-Skala, die Windgeschwindigkeiten lagen damit zwischen 180 und 255 km/h. Fünf weitere Tornados hatten die Stärke F1 (118 bis 180 km/h) und bei einem konnte die Stärke über offenem Feld nicht ermittelt werden. Die beiden stärksten Tornados traten in Hamburg-Harburg und in dem schleswig-holsteinischen Ort Segrahn nahe der Grenze zu Mecklenburg auf. In Hamburg stürzten durch einen F2-Tornado gegen 19 Uhr mehrere Baukräne um und zwei Kranführer kamen tragischerweise ums Leben. Die Schäden im Harburger Stadtgebiet gingen in die Millionen. Der Tornado zerstörte unter anderem eine Bootshalle, in der teure Jachten lagerten. Dachteile der Halle landeten in einer Stromleitung und durch Kurzschlüsse fiel der Storm in mehreren Hamburger Stadtteilen stundenlang aus. Etwa 300.000 Haushalte waren betroffen. Allein die Reparatur der Stromleitungen kostete etwa 5 Millionen Euro. Durch die Notbremsung einer voll besetzten S-Bahn kurz vor dem heranziehenden Tornado konnte auf den Harburger Elbbrücken eine noch größere Katastrophe verhindert werden.
Der andere F2-Tornado überquerte knapp eine Stunde später die vielbefahrene Autobahn A24 Hamburg – Berlin, wo alle Fahrzeuge zum Glück rechtzeitig zum Stehen kamen. Der Tornado hinterließ eine vier Kilometer lange Schneise der Zerstörung in einem Waldgebiet, bevor er auf den kleinen Ort Segrahn traf. Hier gab es Schäden an zahlreichen Gebäuden, der Tornado schwächte sich aber schon etwas ab. Die weiteren Tornados wurden zwischen 17 und 20:15 Uhr bei Esenshamm an der Unterweser, bei Delmenhorst/Bremen, bei Buchholz in der Nordheide, nahe Tostedt, in Ehestedt und im mecklenburgischen Roggendorf beobachtet. Auslöser war eine Kaltfront, vor der sich die kräftigen Gewitter bildeten, darunter mehrere so genannte Superzellen – langlebige und kräftige Gewitter mit beständig rotierendem Aufwindbereich. Im Bereich der Gewitter traten neben den Tornados auch Starkregen, Hagel und schwere Sturmböen auf.
Allgemeines über Tornadoserien
Eine solche Tornadoserie nennt man auch „Tornadoausbruch“ (amerikanisch: tornado outbreak). Von einem Tornadoausbruch spricht man, wenn zahlreiche Tornados innerhalb einer bestimmten Zeitspanne in einem räumlich begrenzten Gebiet auftreten. Die Tornadobildungen sind dabei sämtlich an eine Wetterlage gebunden. Nach der heutzutage gebräuchlichsten Definition wird das Auftreten von 6 oder mehr Tornados in einem begrenzten Gebiet in wenigen Stunden als Ausbruch bezeichnet. Nach der Britannica Online Encyclopedia handelt es sich bei 6 bis 9 Tornados um einen schwachen, von 10 bis 19 um einen mittleren und ab 20 Tornados um einen starken Ausbruch. Bei der Tornadoserie am 27.03.2006 handelte es sich also um einen kleinen Tornadoausbruch.
Große Tornadoausbrüche mit manchmal mehr als 100 Tornados sind fast nur aus den USA bekannt. Am 27. April 2011 wurden nach ersten Untersuchungen bei einem Ausbruch mindestens 226 bestätigte Tornados gezählt, weitere Verdachtsfälle werden untersucht. Der stärkste europäische Tornadoausbruch erfolgte am 23. November 1981 mit 105 Tornados auf den Britischen Inseln. Diese genaue Zahl wird zwar in Fachkreisen zum Teil angezweifelt, aber es dürfte trotzdem der größte bekannte Ausbruch in Europa sein. Auch in Deutschland gab es schon einige Ausbrüche. Die meisten Tornados brachte nach den bisher bekannten Zahlen die Gewitterlage am 20. Mai 2006 hervor. Damals überquerte eine Gewitterfront von Westen her vor allem die zentralen Teile Deutschlands von Nordrhein-Westfalen bis nach Sachsen. Insgesamt sind bislang mindestens 13 Tornados bestätigt
Tornadowarnungen gab es damals in Deutschland kaum, am 27. März 2006 erreichten jedenfalls keine solchen Warnungen die betroffene Bevölkerung. Zehn Jahre später bieten sich ganz andere Möglichkeiten. Jede/r kann sich inzwischen selbst auf hoch aufgelösten Radarbildern und aktuellen Blitzkarten anschauen, wo gerade Gewitter unterwegs sind. Und mit etwas Übung kann man zumindest im Bereich kräftiger Gewitter sogar erkennen, ob ein Tornado droht. Lesen Sie dazu die Anleitung: Wie erkenne ich einen Tornado in den Radarbildern? Und wenn man tatsächlich einen Tornado auf sich zuziehen sieht? Dazu gibt es sehr gute Hinweise in einem Video der Kollegin Rebekka: Wie verhält man sich richtig, wenn ein Tornado in Sicht ist?
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