Neues vom „Jahrhundertwinter“, von „Winter-Keulen“ und „schockfrosten“
Der Herbst ist auch die Zeit der immer wiederkehrenden „Schockmeldungen“ vom Wetter auf diversen Nachrichtenportalen. So wird beispielsweise nahezu jeden Herbst ein kommender „Jahrhundertwinter“ angekündigt, wie wir bereits vor einigen Wochen an dieser Stelle berichteten. In diesen Tagen erreichen uns täglich Anfragen, was von verschiedenen Meldungen zu halten ist. Ich will im Folgenden einige der unzähligen, nennen wir es mal vorsichtig „Prognosen“, versuchen zu durchleuchten und Details zu hinterfragen.
Beginnen wir mit einer Meldung auf bild.de vom 07.11.2017. Nach den US Wettermodellen soll uns in zwei Wochen die Winter-Keule erwischen.
Der Meldung beigefügt ist folgende Grafik mit dem Untertitel, dass „extrem kalte Höhenluft“ nach Deutschland rutschen könnte.
Wie die Quelle schon sagt, handelt es sich um eine Grafik von der französischen Wetterseite meteociel.fr. Hier gibt es unter anderem das für alle frei verfügbare amerikanische Wettermodell GFS, das „US Modell“. Sie können das auch bei uns gucken. Dieses Wettermodell wird 4x täglich neu berechnet und wenn man sich die vergangenen Berechnungen im dortigen Archiv anschaut, dann findet man auch die passende Grafik aus dem Artikel bei bild.de. Es handelt sich um den 00 UTC Lauf des GFS vom 06. November 2017, der morgens gegen etwa 06 Uhr vollständig verfügbar ist. Dabei zeigt die Karte die Temperatur in rund 1500 Meter Höhe (Druckfläche 850 hPa, für Meteorologen wichtige Höhe für die Vorhersage). Das Modell wird bis +384h gerechnet, bild.de fügte eine Karte für +324h ein. Nun muss man wissen, dass in diesem Zeitraum von +12 Tagen(!) sich die Karten alle 6 Stunden vollständig ändern. Das heißt, eine Prognose ist absolut noch nicht möglich.
Der Artikel auf bild.de erschien am 07.11.2017 um 13:12 Uhr. Bis dahin gab es noch mindestens vier weitere, neue Berechnungen des US Wettermodells, die aktuellste Berechnung war mindestens die von morgens etwa 6 Uhr. Blöd war jetzt nur, dass die neusten Berechnungen keine schöne blaue „Kältekarte“ mehr zeigten, sodass man auf eine alte Berechnung aus dem Modellarchiv zurückgreifen musste. „US Wettermodelle“ rechneten also zu diesem Zeitpunkt gar keine „Kälte-Keule“ mehr. Hinzufügen muss man auch, dass lediglich in 1500 Meter Höhe (850hPa) -8 bis -10 Grad über Deutschland gerechnet wurden. Das wäre jetzt an einem 19. November keine wirkliche Keule und könnte in tiefen Lagen sogar tagsüber noch für Plusgrade sorgen.
Für Prognosen wie in diesem Fall mit mehr als 10 Tagen, lohnt es sich maximal Ensemble-Vorhersagen anzuschauen. Das US Modell GFS rechnet nicht nur eine Variante, die wir oben gesehen haben, sondern immer noch 20 weitere Varianten mit leicht veränderten Anfangsbedingungen. In einem Diagramm lässt sich dann sehen, ob die Spannbreite sehr groß ist oder die Linien nah beieinander liegen und die Prognose schon eine gewisse Richtung beziehungsweise Tendenz aufweist. Wir sehen unten das Ensemble für Frankfurt am Main mit der Temperatur in 850 hPa (~1500 m), wo in der Grafik auf bild.de -8 bis -10 Grad gezeigt wurden. Zusätzlich ist das Ensemble des ECMWF Modells beigefügt, welches sogar 50 Berechnungen durchführt. Sie sehen, dass die Spanne einfach riesig ist mit Temperaturen zwischen -8,6 und +3,6 beim US Modell und -11,4 und +6,6 Grad beim ECMWF. Ergebnis: Eine Prognose für den 19. November ist heute noch absolut unmöglich – man kann auch Würfeln!
Die Ensemble-Diagramme für jeden Ort der Welt finden Sie für verschiedene Parameter hier auf kachelmannwetter.com.
Natürlich musste auch focus.de mit einer „Blitzeis„- und „schockfrost“-Prognose in diesem Artikel kommen, die bei genauerem Hinsehen einfach absolut keine Grundlage hat. Nichtmal eine schöne blaue Karte in der Glaskugel, wie es bei bild.de der Fall war, konnte man finden. Den Begriff „Blitzeis“ gibt es meteorologisch gar nicht. Er wird für alles in diversen Medien verwendet, was glatt sein. Am ehesten könnte der Begriff meines Erachtens noch zutreffen auf starke gefrierende Nässe (nach Regen gibt es Frost, Restnässe gefriert plötzlich bei aufklarendem Himmel) oder für gefrierenden Regen ((unterkühlte) Regentropfen treffen auf gefrorenen Boden). Beides ist derzeit nicht zu erwarten gewesen.
Schaut man sich das dort eingefügte Video an, sehen wir direkt, wie Deutschland in den Aussichten schockgefrostet wird. Nicht einmal Nachtfrost ist zu sehen – unglaublich!
Am Ende des Videos wird es dann kurios. Nach den Aussichten bis Sonntag, die ja alles andere als frostig sind, kommt eine Karte mit den „Gefahren am Mittwoch“, unten „Straßenglätte in der Nacht zum Donnerstag“, wo es im Osten und Südosten glatt werden soll. Man ist also plötzlich wieder bei heute, das Video ist am Mittwoch, den 08.11.2017 erschienen. Schauen wir uns hier die Minimumtemperaturen in 5cm über dem Erdboden aus der Nacht zum Donnerstag an, wird direkt ersichtlich, wie schlimm die Glättesituation wohl gewesen sein muss. Lediglich wenige Stationen in Südbayern hatten Frost. Lediglich im Allgäu gab es frostige Straßenbeläge, sonst waren die Belagstemperaturen deutlich im Plus, wie hier zu sehen.
Auch tag24.de sprang auf die ominöse Glättesituation im Osten auf. Es kann zu „gefährlichem Blitzeis kommen“, hieß es in diesem Artikel am Mittwoch für den Abend und die kommende Nacht zum Donnerstag. Das reichte aber nicht: Im Osten des Freistaats schlägt „die Kälte mit voller Wucht zu“ hieß es weiter und es wird „bitterkalt“. Die Realität ist ernüchternd, denn selbst auf dem Fichtelberg im Erzgebirge blieb es sogar frostfrei! In Görlitz gab es einen Tiefstwert von +4,3 Grad. –> Tiefstwerte Sachsen
Vorhersagen können natürlich immer auch mal danebengehen, davon will ich mich auch nicht freisprechen. Deswegen blicken wir auf die Vorhersage der Tiefstwerte aus dem oft gern genutzten US Modell vom Mittwochmorgen für die Nacht zum Donnerstag. Es wurde nicht ansatzweise Frost berechnet – auch nicht von anderen Wettermodellen.
Das detaillierteste Wetter-Radar auf dem deutschen Markt: unsere Kachelmann Radar & Blitz HD App für iOS im AppStore und für Android im PlayStore!
Wir haben weitere einzigartige Produkte auf kachelmannwetter.com: Ein HD Regenradar mit Vorhersage durch Stormtracking, europaweite Wettermessdaten und teils Jahrhunderte alte Messwerte; exklusive Modellkarten wie signifikantes Wetter in Super HD Auflösung oder Sonnenscheindauer-Vorhersage in HD–Auflösung,verfügbare Gewitter-Energie sowie kompakte Wettervorhersage in HD und Super HD – alles auf einen Blick! Außerdem exklusiv: Sturzflutwarnungen bei starkem Regen und Hagel-Alarm!
Außerdem gibt es aktuelle Satellitenbilder weltweit, im Menü ist der Kartenausschnitt über die Kontinent- und Länderauswahl möglich oder über Rasterkarten selbst wählbar. Entsprechendes gilt für die weltweit berechneten Wettermodelle aus Deutschland und aus den USA. NEU: Satellitenbild-Archiv ab 1981.
Ausis, ausis, so langsam geht’s mit den Medien weiter bergab, man darf denen gar nichts mehr glauben, am Besten sieht man sich die Modelle alle selbst an, dann weiß man in etwa, was auf einen zukommt, und so kalt wird’s überhaupt nicht, nicht einmal Luftfrost hatte ich bisher gehabt, in diesen Herbst. 0.3+ war die niedrigste Temperatur bei mir gewesen..
Und da wundern sich die Medien darüber, wenn von Lügenpresse gesprochen wird.
Vor allem, wenn ich den Artikel lese, Meteorologen warnen an Weihnachten vor extremster Kälte um -40 Grad, das sind die dümmsten Meldungen, die es gibt, wieso schreibt man sowas dummes, nur um Aufmerksamkeit zu erlangen, und damit man Angst und Panik bekommt..
Es ist verblödeter Vollpfosten-Journalismus ! Die Medien wollen sowieso nur noch die erreichen die, die noch jeden Müll glauben. Jene Menschen die sowieso Wissen das der heutige Journalismus überwiegend Schwachsinn ist, sollen gar nicht damit erreicht werden, weil sie Wissen, wer einmal erkannt hat wie viel Schwachsinn in den Mainstream-Medien posaunt wird, wird solche Fake-News eh nicht glauben.
Solche Meldungen sind clickbating. Es geht darum, eine hohe Zahl an clicks zu generieren – um dann wiederum Werbung zu verkaufen – und zwar in Form von Leads.
Oft haben diese Meldungen nicht einmal die Medienhäuser selber geschrieben, sondern irgendwelche privaten „Wetterdienste“. Schaut man sich die Artikel mal genauer an, dann tauchen da immer und immer wieder bestimmte Namen von privaten Anbietern auf, für die diese Artikel eine besondere Form des Marketings sind: der Name des Anbieters wird so bekannt gemacht. Und natürlich wird die Anfangsmeldung dann am Ende quasi eingestampft und stark relativiert. Aber die meisten Leute lesen eben solche Meldungen nicht zuende.
Ansonsten gilt: bei Meldungen von BILD und Focus war schon immer Vorsicht angesagt. Die mögen’s gerne laut und reißerisch. Was man dagegen tun kann? Jede Menge! Das Stichwort und Zauberwort heißt eben MEDIENKOMPETENZ zu entwickeln.
Qualität siegt am Ende.
von daher: keine Sorge liebes Kachelmannwetterteam 🙂 ihr seid noch recht jung am Markt aber trotzdem schon auf der Überholspur. Macht so weiter wie bisher, dann werden solche Artikel bald nicht mehr nötig sein 😉
Gruß Jörg
Danke an das Kachelmannwetter Team !
Es ist schon unglaublich wie viel Schwachsinn über den kommenden Winter geschrieben wird. Vor allem mit welcher billigen plakativen Laberei man meint den Leser als Dumm zu verkaufen !
Es ist deshalb sehr wichtig solche schwachsinnigen Wetter-Meldungen sofort Offen zu legen.
Erst vergangenen Herbst 2016 wurde ähnlicher Müll über den Polarwirbel geschrieben. Scheinbar will man aber aus eigenem Schwachsinn nicht lernen, sondern verkündet jedes Jahr im Herbst aufs neue den Jahrhundert-Winter, obwohl die Gesellschaft mittlerweile größtenteils weis, dass das völliger unwissenschaftlicher Blödsinn ist.
Peinlicher plakativer Journalismus !
Das bestätigt nur meine Meinung. Insbesondere Kai Zorn von „wetter.com“ hat eine große Freude daran, Schnee, eisige Temperaturen und kalte „Läufe“ zu prophezeien.
Aber ernsthaft: Trotz Klimawandel/erwärmung ist es dieses Jahr an der Alpennordseite extrem ungemütlich. Letzter Schnee Ende April, eisiger September und der November ist bis jetzt auch sehr kalt, Schnee soll kommen.
Gefühlt ist hier das Kälteloch oder täusche ich mich da?
Herr Zorn macht sich und wetter.com damit allgemein bekannt – es geht um Marketing, mehr nicht. Und er macht das sehr geschickt: die reißerische Headline wird im Artikel dann relativiert bis vollständig zurückgenommen. Rein rechtlich kann man da nix machen. Und man kann nun einmal nicht von Verlegern und Chefredakteuren erwarten, dass die ausgebildete Meteorologen bzw. Anwender mit erweiterten Grundkenntnissen in der Meteorologie sind.
Allerdings würde es aus meiner Sicht mal Zeit, zu überprüfen, ob solche Pressemitteilungen nicht wettbewerbsrechtlich relevant sind und ob dies nicht als Werbeartikel gekennzeichnet werden müsste.
Liebe Wetterfreunde, wir sollten nicht vergessen, dass den Medien der Fake-Anteil in ihren Artikeln sehr bewusst ist. Hier wird, wie übrigens immer, eine eigene Realität dargestellt… willkommen in der Matrix!
Die Langzeitwettervorhersagen sind schon seit vielen Jahren sehr ungenau und treffen meist nicht zu. Man muss nur mal aufmerksam seine Wetter Apps auf dem Handy beobachten, wie häufig dort die Vorhersagen angepasst werden, teilweise von Sonne auf Regen für nur wenige Tage im Voraus, auch daran erkennt man gut, dass eine Vorhersage beim Wetter nur für sehr kurze Zeiträume möglich ist.
Vorhersagen für 1-2 Wochen sind absolut unseriös. Das Ziel mit diesen reißerischen Überschriften ist halt möglichst viele Klicks auf die eigene Webseite zu erhalten Viele Klicks = höhere Werbeeinnahme – die Medienhäuser haben es halt immer nötiger. Sie untergraben damit Ihre Glaubwürdigkeit im Prinzip selbst.
Das einzige Blitzeis das ich in diesem Jahr hatte kam aus meiner Eisdiele. Schoko, Nuss und Zitrone. Da war es August. ?