Eisschmelze am Nordpol – Eiszeit bei uns?
Die Meldungen überschlagen sich förmlich, wenn es um das Thema Eis in der Arktis und die Folgen für das Wetter bei uns in Mitteleuropa geht. Der sonst im Winterhalbjahr alles beherrschende Polarwirbel soll zusammenbrechen und uns einen sibirischen Winter bescheren, so heißt es in vielen Meldungen. Was ist da tatsächlich dran? Und wie sieht überhaupt die Eislage in der Artkis aktuell aus?
Die Animation zeigt den Vergleich der Eisausdehnung und des Eisalters in den Jahren 1984 und 2016 (Quelle: National Snow and Ice Data Center). Der Unterschied ist gewaltig. In den beiden kleinen Diagrammen ist die Verteilung des Eisalters dargestellt (weiß entspricht 5 Jahre und älter). Älteres Eis ist 2016 kaum noch vorhanden, der Trend geht deutlich zum ein- oder zweijährigen Eis, das zum Teil den arktischen Sommer nicht mehr überlebt.
https://www.youtube.com/watch?v=6ZAuRpK4tkc
Auf >Play drücken, um die Animation zu starten. Vergleich der Eisausdehnung und des Eisalters (hellweiß = älteres Eis, dunkelgrau = junges Eis) in den Jahren 1984 bis 2016 (Quelle: National Snow and Ice Data Center) – Die Eisfläche hat im Laufe der Jahre deutlich abgenommen, ganz besonders im Jahr 2016. Zusätzlich ist im Diagramm noch das Eisalter dargestellt, das anfangs noch meist im Bereich 5 Jahre und mehr zu finden ist, sich aber zuletzt immer mehr zu jüngerem Eis hin verschiebt. Das bedeutet, dass immer weniger Eis den nordischen Sommer übersteht. Viele Flächen werden im Sommer eisfrei.
Dargestellt ist hier die Veränderung der Eisfläche im Laufe des Jahres, angegeben in Millionen Quadratkilometer. Die dicke schwarze Linie zeigt den langjährigen Mittelwert der Jahre 1981 bis 2010, die Linien in grün, orange, gelb und rot zeigen die Entwicklung in den Jahren 2012 bis 2014 und 2016. Während das Jahr 2012 (grün gestrichelt) im September/Oktober noch den Rekord mit der geringsten Eisausdehnung hält, lag 2016 nur wenig darüber, im November kam aber nicht so viel neues Eis hinzu wie sonst, Damit liegt die rote Kurve für dieses Jahr inzwischen unter allen anderen Jahren.
Die durchschnittliche Eisfläche in der Arktis im Monat November (Quelle: National Snow and Ice Data Center) hat seit 1979 drastisch abgenommen. Lag sie lange Zeit noch zwischen 10 und 11,5 Millionen Quadratkilometern, sank sie ab 2006 fast durchweg unter 10 Millionen Quadratkilometer ab. Im November 2016 waren es dann nicht einmal 8,5 Mio. Quadratkilometer.
Auswirkungen des fehlenden Eises:
Schon seit Wochen liegen die Temperaturen über den freien Wasserflächen der Arktis deutlich über den langjährigen Mittelwerten. Die Karte des globalen US-Modells zeigt die erwarteten Temperaturabweichungen am Freitag (09.12.), die Temperaturen liegen zum teil mehr als 10 Grad über den Mittelwerten. Und schaut man sich die weiteren Karten für die nächsten Tage an, ändert sich daran vorerst nur wenig.
Diese großen positiven Temperaturabweichungen haben natürlich auch Folgen für die gesamte Zirkulation in der Troposphäre, in der sich das Wetter abspielt. Normalerweise beherrscht in größeren Höhen ein gewaltiger Polarwirbel die Strömungen in der gesamten Arktis (Analyse vom 21.01.2016). Er entsteht unter anderem durch die Temperaturgegensätze zwischen den Polarregionen und den gemäßigten Breiten und steuert auch die Tiefdruckgebiete, die mit westlicher Strömung über den Atlantik in Richtung Europa ziehen.
Nun könnte man eine ganz einfache Rechnung aufmachen und davon ausgehen, dass – wenn der Polarwirbel schwächer ist oder gar zusammenbricht – auch die atlantischen Tiefs mit der milden Atlantikluft nicht mehr zu uns kommen, sondern durch polare oder gar sibirische Kaltluft ersetzt wird. Die Abbildung zeigt den etwas abgeschwächten, aber noch vorhandenen Polarwirbel am 08.12.2016.
Ganz so einfach ist dies nicht. Auch in den beiden vergangenen Wintern war der Polarwirbel geschwächt, die meiste Zeit stellte sich keine westliche Strömung auf dem Atlantik ein und trotzdem war es bei uns in Mitteleuropa die meiste Zeit mild. Statt reger Tiefdrucktätigkeit machte sich eher ein kräftiges Hoch bei uns breit, nur mal unterbrochen von kurzen Episoden mit Stürmen oder Kaltlufteinbrüchen aus Nord- oder Osteuropa. Auch aktuell sieht es von frostigen Temperaturen abgesehen nicht gerade winterlich aus, wie die Karte mit der Luftdruckverteilung am Freitag zeigt. Das Hoch verhindert Kaltluftvorstöße aus dem Norden oder Osten.
Ein kräftiges Hoch beherrscht weite Teile des europäischen Kontinents. Dennoch sieht man auf dem Atlantik auch Tiefdrucktätigkeit. Die atlantischen Tiefs kommen nicht bis zu uns durch, sondern transportieren auf ihrer Vorderseite warme Luft heran, durch die die Hochdruckzone noch gestützt wird.
Die Luftdruckverteilung aus dem globalen deutschen Modell zeigt nun für den Samstag (10.12.) ein kräftiges Sturmtief zwischen Neufundland und Grönland, die Tiefdrucktätigkeit kommt also mehr in Gang. Allerdings zieht auch dieses Tief nicht nach Mitteleuropa, sondern lenkt wiederum nur warme Luft in Richtung Westeuropa, die den Hochdruckblock über Mitteleuropa weiter stützt. Solche Wetterlagen sind oft sehr stabil und können wochenlang anhalten, wobei sich diese Lage durchaus schnell ändern kann. Baut das Hochdruckgebiet weiter westlich an und schwächt sich in seinem Ostteil, könnte schnell ein Kaltlufteinbruch aus polaren Regionen nach Deutschland erfolgen.
Bricht nun der Polarwirbel durch eine so genannte Stratosphärenerwärmung zusammen, dann kann zwar die westliche Strömung auf dem Atlantik ebenfalls erlahmen und die milde Atlantikluft kommt nicht zu uns, eines bedeutet dies jedoch nicht automatisch: Dass ein kalter und womöglich schneereicher Winter folgt. Die Strömung verläuft dann insgesamt weniger zonal (West-Ost gerichtet), sondern meridional (Nord-Süd-Richtung), aber niemand weiß, wann und wo Kaltluftvorstöße aus nördlichen Breiten erfolgen. Sie könnten uns von Zeit zu Zeit treffen oder auch einfach vorbeigehen und andere Regionen erfassen. Es bleibt dabei, auch mit einer Analyse des Polarwirbels ist keine Winterprognose möglich.
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Naja, im Prinzip hätte in dem Artikel ja auch nur der letzte Satz ausgereicht: Es bleibt dabei, auch mit einer Analyse des Polarwirbels ist keine Winterprognose möglich.
Hallo, also ohne jegliche Begründung? Das ist dann das, was viele Medien machen, einfach verbreiten ohne Hintergundinformationen und ohne zu hinterfragen. Auch heute sollte schon noch wichtig sein, zu wissen, warum etwas so ist. Ohne Lösungsweg bekommt man in Mathe auch keine 1. 😉
Hallo
Wann Kommt Die Eiszeit zu Uns noch 2016 oder Später
Danke schön
Warte Auf Antwort wäre Nett
Hallo, bitte am besten mal den Beitrag lesen, es ist kein Wintereinbruch absehbar und eine Langfristprognose nicht möglich.
Also doch den grill rausstellen wieder mal
Ein guter und informativer Artikel. Vielen Dank dafür.
Danke Herr Sävert.
Hier wird sachlich aufgezeigt, das die meisten Wetterportale und Protagonisten von Wunschwinterwetter wie immer falsch liegen.
Schönter Artikel, ich liebe die Kachelmann-wetter-seite, und das ganze Team sowieso 🙂
Danke
Dem kann ich mich nur anschließen: informativ und verständlich, auch wenn ich von der ganzen Materie nichts verstehe. Den (wirklichen) Fachmann zeichnet aus, dass er komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich beschreibt und nicht in das sog. Fachchinesisch abgleitet – kann halt nicht jeder, die Macher hier schon.
Danke dafür.
Ich rieche Fachkompetenz. Gratuliere für die anschaulichen Erklärung dieser wahrhaft nicht einfachen Materie!
Auch wenn ich den Artikel erst jetzt gelesen habe, ist er nach wie vor aktuell und aufschlussreich.
Wetter und Klima sind eben schon etwas besonderes und wer genau hinschaut wird erkennen, dass wir trotz immensen Wissen letztendlich nichts wissen.
Vielen Dank und macht weiter so.